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Schreckreflex und Schreckreaktion als hirnorganische Zeichen

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Zusammenfassung

Bei Erkrankungen zentraler Hirnabschnitte kann in Einzelfällen ein pathologisches Zusammenschrecken auf akustische und taktile Reize mit Lidschluß, Streckung des Kopfes und der Wirbelsäule sowie Flexion und Adduktion der Arme und Beine beobachtet werden. Zur Auslösung des Zusammenfahrens ist jeder plötzliche akustische und taktile Reiz, gelegentlich auch die gesehene rasche Bewegung geeignet. Das rezeptive Feld für taktile Reize nimmt die obere Körperhälfte ein, Fokus ist der Nasenrücken. Bei unseren Fällen 1, 3, 4, 5 trat die Reaktion mit der Latenz der physiologischen und pathologischen Fremdreflexe auf, so daß für diese Form die Bezeichnung: pathologischer generalisierter Schieckreflex Vorgeschlagen wird. Bei den Beobachtungen 2, 6–10 lag die Latenz dagegen in der Größenordnung des willkürlichen Zusammenfahrens und zugleich der einfachen Reaktion Wundts, so daß sich der Begriff: pathologische Schreckreakation anbietet. Beide Typen sind oft miteinander kombiniert. Im Gefolge von Reizserien pflegen nur noch der Körperachse nahegelegene Muskeln wie Orbicularis oculi und Erector trunci zu reagieren, während die Extremitätenmuskeln in Ruhe verharren. Zugleich erfahren die Latenzzeiten eine Verkürzung. Es kombiniert sich also im Rahmen dieser Wandlung der Reaktion eine Erhöhung des zentralen Erregungszustandes mit Hemmungsvorgängen. — Die Untersuchung der Reflexzeiten verschiedener Muskeln unter verschiedenen Bedingungen läßt neben gleichsinnigen Verkürzugen oder Verlängerungen eine relative Unabhängigkeit der Latenz des einzelnen Muskels von der Latenz der Gesamtreaktion erkennen. Der letztgenannte Befund legt zusammen mit den erwähnten Unterschieden der Hemmbarkeit verschiedener Muskeln im Gefolge Von Schlagserien die Vermutung nahe, daß eine getrennte Steuerung der den einzelnen Motoneuronen zugeordneten medullären Schaltneurongebiete neben der gleichzeitigen Innervation vom Hirnstamm her stattfinden kann. — Die Reflexaktionsströme sind in der Regel tetanisch, gelegentlich aber auch biphasisch; Nachentladungen kommen häufig Vor. Physiologische oder pathologische Fremdreflexe können den Tetanis der Schreckreaktionen voraufgehen.

Das pathologische Zusammenschrecken weist auf eine organische Schädigung zentraler Apparate im Diencephalon oder Mittelhirn hin. Doch ist die Abgrenzung gegenüber den Reaktionen schreckhafter Neuropsychopathen keine scharfe. Die erkrankte Struktur läßt sich Vorläufig nicht näher präzisieren. Ob der die Rückenmarksreflexe bahnende laterale Abschnitt der Substantia reticularis für die Genese des Zusammenschreckens von Bedeutung ist, wäre zu erwägen.

Das Zusammenschrecken stellt einen phylogenetisch sehr primitiven unter der Stufe der triebhaften Abwehr stehenden Schutzreflex vom Typ des Beugereflexes dar, der bei manchen Tieren physiologisch vorkommt, beim nicht hirnkranken Menschen aber auch durch sehr intensive unerwartete akustische und taktile Reize oder in Form der Elektroschockinitialzuckung auslösbar ist.

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Duensing, F. Schreckreflex und Schreckreaktion als hirnorganische Zeichen. Archiv fü Psychiatrie und Zeitschrift Neurologie 188, 162–192 (1952). https://doi.org/10.1007/BF00352755

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